Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 24: Tagebuch von Augusta S., November und Dezember 1914, Altlengbach

NL 97 Schanda 1914 11Der Krämer Franz S. („Papi“) aus Altlengbach im Wiener Wald war im Oktober 1914 an die Front „in Russland“ eingezogen worden, woraufhin seine Familie oft über längere Zeiträume ohne Informationen von ihm blieb. Die knappe Post-Kommunikation führte bei seiner Frau Augusta Carolina S. (geb. 1877) wiederholt zu Missverständnissen.

Im Novemb. 1914 (Ende)
Eine Karte v. Papi ist gekommen, mit dem Stempel St. Pöltener Kriegsspital. Wieder waren wir im Unklaren ist Papi verwundet? od. krank? da der Inhalt immer möglichst kurz gehalten – ich will ihn suchen. Herr E. der Spediteur von Altlengbach fährt mit mir in seinem halbgedeckten Wagen nach St. Pölten – er hat selbst dort zu tun. – Wir finden keine Spur von Papi. Ein Verwundeter hatte die Karte von Papi aus den Karpathen mitgenommen. – Als ich abends nachhause kam, erwarteten mich die Kleinen mit Resi u. Josef [den beiden Haus-/Angestellten der Schreiberin] – nach Bericht, wanderten sie alle still u. fröstelig in ihre Betten. Ich mußte noch lange im Zimmer auf u. ab gehen meine Glieder waren steif u. tod, von der Wagenfahrt, die bei dem frischfallenden Schnee in überaus großen Flocken immer beschwerlicher werden.

Im Dez. 1914
Wieder sind ein paar Wochen vorüber; Papi’s Nachrichten spärlich u. unregelmäßig. Manche Altlengbacher schon tod u. vermißt. – Ach Gott! wie viel weinende Frauen u. Mütter – u. das Ringen will nicht enden. Gibt es keine andere Rettung als den Frieden mit so viel Menschenblut und Vernichtung zu Stande zu bringen? Wie u. wann wird er uns werden?

Sammlung Frauennachlässe NL 97
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Zitation dieses Beitrages: Der Erste Weltkrieg in Selbstzeugnissen – Auszüge aus Beständen der Sammlung Frauennachlässe Nr. 24, Tagebuch Augusta S., November und Dezember 1914, SFN NL 97, unter: https://salon21.univie.ac.at/?p=18094