CfP: Wanderungen. Migrationen und Transformationen aus geschlechterwissenschaftlichen Perspektiven (event: Oldenburg 02/2012), DL: 30.09.2011

Fachgesellschaft Geschlechterstudien/ Gender Studies Association (Web); Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZFG, Web) der Universität Oldenburg

Zeit: 03.-04.02.2012
Ort: Oldenburg, Carl von Ossietzky Universität
Deadline: 30.09.2011

Menschen, Dinge und Konzepte sind weltweit in Bewegung geraten. Bewegungen, die beispielsweise durch eine global werdende Ökonomie, durch neue Technologien der Informationsübermittlung und des Transports und nicht zuletzt durch die unzähligen regionalen und internationalen Kriege zunehmen. Diese Migrationsprozesse neuen Ausmaßes werden ebenso kritisch und ängstlich beobachtet wie versucht wird, die schwer beherrschbaren Wanderungen von Viren, Keimen und Epidemien mit hohem technischen Aufwand in Schranken zu halten. Menschen, die sich bislang in sicheren Territorien und innerhalb von Grenzen geschützt wähnten, sehen sich dadurch zum Teil bedroht. Zugleich fühlen sich viele durch Wanderungen kultureller Artefakte, Dinge, Bilder, Töne aus anderen Kulturen angeregt, fasziniert und bereichert. Die Zirkulation von Waren, bioökonomischen Modellen und technologischen Konzepten scheint, forciert durch ökonomische Interessen, keine Grenzen mehr zu kennen. Der Imperativ der Mobilität ruft indes zugleich Gegenbewegungen hervor: Entschleunigung, der Wunsch nach ‚Heimat‘, ‚Auszeiten‘ und auch das Wandern im wörtlichen Sinne scheinen stetig an Attraktivität zu gewinnen. Fremdheitserfahrungen rufen allerdings nicht selten Sehnsüchte nach Eindeutigkeit und vermeintlich Vertrautem hervor. Unbestreitbar ist zugleich, dass die Herausforderungen einer Befremdung des Eigenen, des sicher und unhinterfragbar Geglaubten, neue Perspektiven der Kritik eröffnen können.

Auch im Feld der Wissenschaften ist das Phänomen von wandernden Begriffen und sich kreuzenden Theorien längst thematisiert worden (Mieke Bal, „Travelling Concepts“; Edward W. Said, „Travelling Theory“ u.a.).
Begriffe zirkulieren nicht nur zwischen Natur- und Sozial-, Technik- und Kulturwissenschaften, sie versprechen darüber hinaus, im Großen wie im Kleinen die Kluft zwischen verschiedenen Regionen und Kulturen der Welt zu überbrücken. ‚Wanderungen‘ von Begriffen und Konzepten, die sowohl zwischen Disziplinen als auch Kulturen stattfinden, lassen weder die jeweiligen Wissensfelder noch die Begriffe unverändert. Vielmehr schaffen Begriffe wie ‚Vernetzung‘, ‚Hybridität‘, ‚Migration‘ oder auch ‚Nomadismus‘ interdiskursive Bezüge zwischen verschiedenen Diskursformationen; sie können aber auch Differenzen unsichtbar werden lassen. Dabei ist die Bedeutung von Zickzackkursen, Fluchtlinien und Unterwanderungen ebenso zu diskutieren wie die Frage von Proliferationen nicht nur in den Kultur-, sondern auch in den Naturwissenschaften, in der Medizin, Ökonomie oder Informatik. Vor allem aber zwischen Disziplinen und Wissenschaftskulturen finden beständig wechselseitige Transformationen statt – die Gender Studies sind hierfür selbst ein interessantes Beispiel. Aus geschlechtertheoretischer Sicht bedürfen all diese Phänomene und Debatten einer genauen Analyse.

Auch die Effekte der Internationalisierung auf die Geschlechterforschung/Gender Studies in diesen Prozessen der Transformation und Gender Politiken bedürfen anhaltender Aufmerksamkeit. Auf welchen Wegen verschieben sich immer wieder die Bedeutungen der Begriffe? Wie ist das Verhältnis von Internationalität zu Lokalität/Regionalität zu denken? Was bedeuten „Gender Studies“ oder „Gender Mainstreaming“ in Kairo, Kalkutta, Köln oder Krakau? Unter den Bedingungen einer sich mit vielfachen Reibungen und Konflikten vollziehenden Globalisierung gewinnt die Frage an Bedeutung, inwiefern sich darüber unterschiedliche argumentative und politisch interessegeleitete Kontexte überkreuzen und überlagern – und nicht zuletzt, inwiefern darüber auch Prozesse der Naturalisierung von Ungleichheiten und Behauptungen der Universalisierung europäisch-westlicher Kultur(en) gestützt werden. Repräsentationskritik, die notwendig auch eine Kritik der Homogenitätsvorstellungen von ‚Kultur‘ und ihrer geschlechtlichen Dimension enthält, hat im Feld der Erforschung von Migrationen von Menschen, Dingen und Konzepten unter der Perspektive von Transkulturalität in Verbindung mit Gender erneut an Relevanz gewonnen.

Ein Fokus der Tagung liegt somit auf Kreuzungen und Durchkreuzungen, Übergängen, rites de passage und neuen Ermöglichungsräumen – und dies mit Blick auf aktuelle feministisch und queer begründete (Neu-)Situierungen und Politiken.

Fragen können sein:

– Welche politischen Dimensionen von Migration und Transformation sind aus geschlechterwissenschaftlichen Perspektiven zu diskutieren (z.B. Migration und Gewalt, Epidemien und Kontrollstrukturen, globale Zirkulation von kulturellen Bedeutungen)?

– Wie werden Prozesse von Wanderungen und Überkreuzungen sowie die dabei auftretenden Begegnungen mit Vertrautem und Fremdem geschlechtlich konstituiert bzw. sind als vergeschlechtlichte und vergeschlechtlichende zu verstehen? Was folgt daraus für die Kategorie ‚Geschlecht‘?

– Welche Debatten zum Zusammenhang zwischen ‚Wanderungen‘ und Geschlecht lassen sich in verschiedenen Disziplinen (Natur- und Technikwissenschaften, Geistes- und Kulturwissenschaften, Sozial- und Rechtswissenschaften usw.) sowie inter- und transdisziplinär ausmachen? Inwiefern sind derartige Debatten und damit verbundene Konzepte in der Lage, die Disziplinen überschreitendes Wissen hervorzubringen?

– Welche Rolle spielen naturwissenschaftliches Wissen und Hochtechnologien in den Wanderungsprozessen? Inwiefern ermöglichen und beschleunigen sie diese Bewegungen und wo und mit welchen Folgen werden sie eingesetzt, um Wanderungsbewegungen zu unterbinden (Biometrie, Videoüberwachung, Drohnen, Frontex etc.)?

– Welche Diversifizierungen und Unschärfen von Begriffen lassen sich beobachten? Wann sind Konzepte abwesend, temporär und/oder territorial? Welche Spuren werden hinterlassen, und wie stehen diese in Beziehung zu scheinbar Spurlosem?

– Wie lassen sich Kritiken an sozial, kulturell, ethnisch, geschlechtlich, sexuell und anderweitig begründeten Diskriminierungen weiter konkretisieren, ohne dabei universalistische Vorstellungen zu perpetuieren?

– Welche Rolle spielen dabei beispielsweise Verfahren der Hybridisierung, des Formatwechsels und der Parodie? In welchem Verhältnis stehen Befremdungen zu Wanderungsbewegungen? Welche Rolle spielen ‚Nomadismus‘ oder ‚Vagabundieren‘ als kritische Haltungen? Wie ist einer Romantisierung von Bewegung oder Transformation zu entkommen?
– Welche Bedeutung besitzen Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten, Lesbarkeiten und Nicht-Lesbarkeiten, Normalitäten und (Hetero-) Normativitäten?

Zu diesen und verwandten Fragen wünschen wir uns knappe Vorträge (20 Minuten) aus allen Bereichen, Disziplinen, Methoden und Theorien der Geschlechterforschung. Wir erbitten einschlägige Abstracts (maximal 6.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) bis zum 30.09.2011 an:
– Vorstand der Fachgesellschaft: mail@fg-gender.de
UND
– Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZFG) der Univ. Oldenburg: fgjahrestagung-zfg@uni-oldenburg.de.

Weitere Informationen unter: Fachgesellschaft Geschlechterstudien: <www.fg-gender.de> und ZFG Oldenburg <www.zfg.uni-oldenburg.de>.

Schreibe einen Kommentar