Die Tagebücher und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598-1667). Edition und Kommentar

Projekt am Institut für Geschichte der Universität Wien, in Kooperation mit der Historischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, gefördert durch den Fonds zur Förderung der Wissenschaften
Harrach - Zur Person


Biographie

Ernst Adalbert von Harrach wurde am 4. November 1598 als zweiter Sohn des Freiherrn Karl von Harrach (1570-1628) und seiner Frau Maria Elisabeth, geb. Schrattenbach (1575-1653), geboren. Die Familie war seit längerem in Niederösterreich ansässig, und mehrere Vorfahren Ernst Adalberts hatten bereits hohe Hofämter am kaiserlichen Hof inne gehabt. Ein besonders starker Impuls für den Aufstieg der Familie ging jedoch von seinem Vater aus: Karl von Harrach gelang es als Geheimen Rat und kaiserlichen Hofmeister, nicht zuletzt aufgrund seiner glänzenden höfischen Bildung, den Status der Familie beträchtlich zu heben. Selbst Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, erreichte Karl von Harrach 1627 die Erhebung der Familie in den Grafenstand, ein Faktum, das die Nähe des so Geehrten zum Kaiser ausdrückte und zugleich die Eintrittskarte in die sich herausbildende Hofgesellschaft des Habsburgerreiches darstellte.
Auch die Heiratspolitik des Grafen von Harrach zeigte diese Einbindung in höchste Kreise der Adelsgesellschaft und signalisiert seine weitreichenden politischen Ambitionen: Sein ältester Sohn Leonhard Karl heiratete eine Tochter des bedeutendsten kaiserlichen Ministers, Hans Ulrich von Eggenberg. Karls Tochter Isabella Katharina heiratete 1623 Graf Albrecht von Wallenstein, später Herzog von Friedland; seine Tochter Katharina dessen Neffen Graf Maximilian von Waldstein, und die dritte Tochter Maximiliana ehelichte 1627 mit Graf Adam Erdmann Trčka einen der vermögendsten böhmischen Adligen, der enger Vertrauter Wallensteins werden sollte.
Ernst Adalbert von Harrach durchlief in seiner Jugend zunächst eine für viele Geistliche des 17. Jahrhunderts geradezu klassische Erziehung. Er studierte die humaniora in Wien und an den Jesuitenkollegien von Česky Krumlov/Krumau und Jindřichův Hradec/Neuhaus und erhielt am 8. Juni 1615 in Wien die niederen Weihen. Danach wurde er am 8. November 1616 im Collegium Germanicum in Rom zugelassen. In Rom konnte er sich, nicht zuletzt aufgrund familiärer Beziehungen zur römischen Aristokratie, auf ein recht umfangreiches Netz von Kontakten stützen, das unter anderem Verbindungen zu den Familien Borghese und Barberini beinhaltete.
Nach knapp vier Jahren beendete er 1620 seine Studien in Rom und widmete seine Konklusionen in Philosophie dem Kardinalnepoten Scipione Borghese. Seine öffentliche Disputation zum Erwerb des Doktorates, bei der mit Francesco Barberini ein außergewöhnlich prominenter Opponent in Erscheinung trat, war ein Ereignis, dem große Aufmerksamkeit zuteil wurde und das ihm bald die Tore zum päpstlichen Hof öffnete: Anfang 1621 wurde Ernst Adalbert von Harrach Cameriere segreto Papst Gregors XV. Am Höhepunkt dieses kometenhaften Aufstiegs nominierte ihn Kaiser Ferdinand II. als Erzbischof von Prag, und am 9. November 1622 erfolgte die Postulation Ernst Adalberts von Harrach durch das Prager Domkapitel. Papst Urban VIII. weihte den jungen Priester noch in Rom zum Bischof, und im Mai 1623 nahm der Erzbischof seine Diözese, zu der ganz Böhmen gehörte, in Besitz. Schon 1626 wurde Ernst Adalbert von Harrach dann auf Vorschlag des Kaisers vom gleichen Papst zum Kardinal ernannt.
Die ersten Jahre seiner Amtsinhabe in Prag stellten eine Phase großer Euphorie und persönlicher Erfolge dar, die von der ständigen Unterstützung der Congregatio de Propaganda Fide und der fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Kapuziner Valeriano Magni geprägt war. Zur Umsetzung der Gegenrefomation in Böhmen wurden große Reformprojekte entworfen, die die Einführung der Grundsätze des Konzils von Trient in den habsburgischen Ländern vorantreiben sollten (u.a. Ausbildung einer ausreichenden Zahl von Priestern, Finanzierung kirchlichen Wiederaufbaus, regionale Organisationsstrukturen). Hinsichtlich der umfassenden Rekatholisierung Böhmens, die weitgehend durch kaiserliche Verordnungen vorangetrieben wurde, vertrat Harrach einen zurückhaltenderen Kurs und plädierte u.a. für mehr Milde im Bekehrungwerk der Reformationskommissare. Dass Harrach dabei aber mit allen Kräften die politischen Ziele Kaiser Ferdinands II. unterstützte, steht außer Zweifel.
Bald jedoch wurde sichtbar, dass ständige Auseinandersetzungen mit den Jesuiten, vor allem um die Kontrolle der Prager Universität, eine schwere Behinderung der Wirkungsmöglichkeiten des Erzbischofs darstellten und auch seiner weiteren Karriere im Weg standen. In diesem Zusammenhang erwies es sich auch als Nachteil, dass Harrach nur sporadisch direkt in Wien am Hof weilen konnte. Ein doppeltes Gefühl der Absenz vom Wiener wie vom römischen Hof war wohl einer der Gründe, warum Ernst Adalbert von Harrach schon bald ein umfangreiches Korrespondenzsystem aufbaute und es mit großem Energie- und Zeitaufwand über Jahrzehnte aufrechterhielt.
Noch problematischer wurde seine Stellung nach dem Sturz Wallensteins 1634, in den die Familie Harrach aufgrund ihrer engen verwandtschaftlichen Beziehungen natürlich hineingezogen wurde. Zwar konnten die Familiengüter gesichert werden, aber zahlreiche Apanagen des Herzogs von Friedland für die Brüder des Kardinals fielen ebenso weg wie die einflussreichen Familienverbindungen in die Umgebung des Kaisers. Nur mit großen Mühen konnten die Brüder den finanziellen Ruin der Familie und den Zusammenbruch ihrer sozialen Netzwerke vermeiden.
Mit der Thronbesteigung Kaiser Ferdinands III. 1637 ergaben sich zunächst Erleichterungen für Harrach und seine Position, weil die Jesuiten insgesamt leicht an Einfluss verloren. Der Kardinal wurde nun als kaiserlicher Gesandter in offizieller Mission nach Rom geschickt und arbeitete erneut ein umfassendes Reformprojekt für die Erneuerung der böhmischen Kirchenverhältnisse aus. Nicht zuletzt aufgrund der Gründung eines erzbischöflichen Seminars in Prag 1635, mit dem Harrach die Heranbildung qualifizierten Priesternachwuchses für Böhmen unter seiner Ägide anstrebte, brach jedoch bald der Konflikt mit den Jesuiten wieder auf.
Nun begann eine Phase starken Druckes auf den Klerus und kontinuierlicher Widerstände gegen die geistliche Gerichtsbarkeit, die für den Kardinal-Erzbischof in den Jahren 1640 bis 1642 in einem direkten Konflikt mit dem Kaiser kulminieren sollte. Nicht zuletzt ging es um die weitreichenden Privilegien, die der Papst dem erzbischöflichen Seminar gewährt hatte, so dass Harrach in den widerstreitenden Interessen von Papst und Kaiser buchstäblich zwischen Exkommunikation und einer Anklage wegen Majestätsbeleidung pendelte. In dieser überaus schwierigen Lage bemühte sich Ernst Adalbert von Harrach, die Würde des Erzbischofs gegen die eines kaiserlichen Botschafters der deutschen Nation in Rom zu tauschen, was jedoch an finanziellen Problemen scheiterte. Erst in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre gelang es dem Kardinal, das Vertrauen des Kaisers und des Hofes wiederzugewinnen, was sich schließlich in seiner Ernennung zum Geheimen Rat 1648 niederschlug.
Das Ende des Dreißigjährigen Krieges, das Harrach als Gefangener des schwedischen Generals Königsmarck in Prag erlebte, war dann, verbunden mit einem Generationswechsel böhmischer Politiker, Ausgangspunkt neuer Reformbemühungen. Gestärkt in seiner persönlichen Autorität und unterstützt von Caramuel y Lobkowitz als Generalvikar, gewannen die Bestrebungen des Kardinals neue Kraft. Im Jahr 1654 konnte der Streit um die Universität und das neue Bistum Leitmeritz beigelegt werden. Die letzten Jahre seines Leben waren schließlich von drei Ereignissen gekennzeichnet, die das große Ansehen, das Ernst Adalbert von Harrach wieder genoss, deutlich machen: Auf persönlichen Wunsch des Kaisers erhielt er 1665 nach langen Bemühungen das prestigeträchtige Bistum Trient zugesprochen. Im folgenden Jahr sandte ihn der Kaiser nach Italien, um dort seine seit langem erwartete spanische Braut zu empfangen und nach Wien zu begleiten, und 1667, während seines dritten Konklave, spielte Harrach eine erhebliche Rolle bei der Wahl eines den Habsburgern wohl gesonnenen Papstes. Er starb am 25. Oktober 1667 auf der Rückreise aus Rom in Wien.

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