Der Beginn der Entchristianisierung
Bevor noch die eigentliche Entchristianisierung im Herbst 1793 einsetzte,
kam es bereits im Sommer 1793 vor allem in Paris zum Aufflammen antiklerikaler
Protestaktionen, so wurden zum Beispiel für
die Waffenindustrie benötigte Glocken eingezogen, aus deren Bronze man Kanonen
gießen konnte und es begann eine Suchaktion nach Edelmetallen. Die Entchristianisierung
bekam dadurch auch einen wirtschaftlichen Aspekt. (Soboul,
311)
Bis zu diesem Zeitpunkt war der Katholische Gottesdienst vom Gesetz
her unangetastet geblieben. Dies änderte sich jedoch mit dem Beginn
der eigentlichen Entchristianisierung, deren Motoren die Konventskommissare
in den Provinzen waren. Es handelte sich dabei also um eine von den
Provinzen ausgehende, mitunter spontane Bewegung.
Am 21. September 1793 weihte der Konventskommisar Fouché in der Kathedrale
von Nevers eine Büste des Brutus ein und verkündete am 26.
von der Kanzel, dass er die Gottesdienste durch Feste der Republik und
der natürlichen Moral ersetzen wollte und verbot schließlich
am 10. Oktober jedes religiöse Zeremoniell außerhalb der
Kirchen. In diesem Zusammenhang verweltlichte er auch die Beerdigungen
und die Friedhöfe, über deren Toren er die Inschrift anbringen
ließ: "Der Tod ist ein ewiger Schlaf." (Soboul,
312) Nun waren alle Priester, nicht nur jene, die den Eid verweigerten,
von den Verfolgungen betroffen. Fouché predigte gegen das
Zölibat; er forderte die Priester auf zu heiraten, Kinder zu adoptieren
oder sich um alte Menschen zu kümmern. Außerdem verbot er das Tragen von
priesterlicher Kleidung außerhalb der Kirchen. Auch christliche Namen
der Kinder wurden durch römische Namen ersetzt. (Kennedy,
338-339)
Die Erinnerungen an die Verfolgungen, deren sich die römisch-katholische
Kirche schuldig gemacht hatte, bildete einen Ansporn für den Kampf
gegen das Christentum. Fouché fand unter den anderen Konventsmännern
zahlreiche Nachahmer. Im Departement Cher hob Laplanche die Pfarrsprengel
auf, plünderte die Kirchen und predigte offen gegen den Katholizismus.
André Dumont ersetzte im Departement Somme den Gottesdienst durch
staatsbürgerliche Tänze und Feiern und verlegte diese auf
den "décadi". In Rochefort verwandelte Lequinio die
Kirchen in Tempel der Wahrheit und in Maubeuge ließ Drouet die
wertvollen Gottesdienstgegenstände beschlagnahmen. (Aubry,
103-104)
Chaumette hatte im September an dem Fest von Fouché beigewohnt
und empfahl nun der Kommune von Paris ähnliche Eingriffe. Gemeinsam
mit seinen Freunden predigte er den unbedingten Atheismus; es sollte
keine Zeremonien, keinen Kult und keine Priester mehr geben. Im Oktober
verbot auch die Pariser Kommune schließlich alle religiösen
Zeremonien außerhalb der Kirche. (Soboul,
312) Weiters wurden alle Prozessionen und Wallfahrten untersagt, sowie
alle Straßenschilder, die das Wort "heilig" enthielten,
entfernt. Der Nationalkonvent betrachtete es als Notwendigkeit, religiöse
aber auch aristokratische Ortsnamen durch neue zu ersetzen. Nach seiner
Auffassung erinnerten viel zu viele Ortsnamen an Heilige. Pont-Saint-Vincent
wurde daher zum Beispiel in Pont-la-Montagne umbenannt und das Städtchen Dielouard
erhielt seinen früheren Namen Scarpone zurück. (Bertaud,
78) In der Pariser Kirche von Notre-Dame ließ Hébert die
Heiligen und Könige aus den Nischen entfernen und die Altäre
umstürzen. Fanatische Patrioten ließen sich aus den Messgewändern
Kniehosen und aus den Alben der Diakone und der Chorknaben Hemden machen.
(Aubry, 104)
Es entwickelte sich ein blinder Hass gegen alle Priester. Am 6. November
forderten die Jakobiner die Abschaffung der Besoldung der Priester.
Noch am selben Abend begab sich eine Delegation zum Bischof von Paris,
Gobel, und überzeugte ihn, seine
Kirchenfunktionen aufzugeben. Am nächsten Tag, dem 7. November
1793, erschien er mit seinen Vikaren vor den Schranken des Konvents und
legte feierlich sein Amt nieder, indem er auf den Tisch des Hauses sein
Kreuz und seinen Ring legte und unter großem Beifall die rote
Freiheitsmütze aufsetzte. Der Vorsitzende umarmte daraufhin Gobel
und erklärte, dass dieser ein "vernunftbegabtes Wesen"
geworden sei. (Guérin,
130) Viele Priester und auch andere Bischöfe folgten seinem Beispiel.
Einzig der Bischof von Blois, Grégoire, trotzte den Hébertisten,
indem er sich auf die Glaubensfreiheit berief. (Aubry,
105)
Durch die Zeitung Héberts konnte das Denken der Pariser Entchristianisierer
bis in die entfernteste Provinz weiter getragen werden.