Kalenderwesen und Horoskope
Auf dieser Seite
In Japan galt bis 1873 ein sogenannter luni-solarer Kalender nach chinesischem Muster, der über 1.200 Jahre mit nur geringen Modifikationen beibehalten worden war. Dieser Kalender misst die Monatslänge nach dem Mond, die Jahreslänge aber nach der Sonne. Jeder Monat beginnt und endet mit dem Neumond, während die Monatsmitte durch den Vollmond angezeigt wird. Da aber eine Mondphase 29,53 Tage andauert, schwanken die Monatslängen im traditionellen Kalender zwischen 29 und 30 Tagen. 12 Mondphasen ergeben auf diese Weise im Schnitt 254 Tage. Es fehlen also 11 Tage, damit ein Sonnenjahr von 365 Tagen voll wird. Um diese Differenz auszugleichen, wird jedes zweite oder dritte Jahr ein Schaltmonat notwendig.1
Der Schaltmonat selbst verdoppelt einen existierenden Monat, sodass auch ein Schaltjahr nominell nur 12 Monate besitzt. Welcher Monat in welchem Jahr verdoppelt wird, ergibt sich nach Berechnungen, die vom Grundprinzip ausgehen, dass die Frühlings-Tagundnachtgleiche immer in den 2. Monat fallen muss, die Sommer-Sonnenwende in den 5. Monat, die Herbst-Tagundnachtgleiche in den 8. und die Winter-Sonnenwende in den 11. Monat (siehe dazu auch Der traditionelle Kalender).


Daher gibt es sowohl im westlichen, gregorianischen als auch im traditionellen chinesischen Kalender die zwölf Monate, die aber leider nie ganz mit einander übereinstimmen. Vielmehr hat das chinesische System zur Folge, dass das traditionelle Neujahr – also der Beginn des ersten Monats – nach westlichem Kalender frühestens auf einen 21. Januar und spätestens auf einen 20. Februar fällt. Das wiederum bedingt Ungenauigkeiten bei der Angabe historischer Daten, wenn lediglich auf das Jahr, nicht aber auf den Monat Bedacht genommen wird.
Tierkreiszeichen
Ausgehend von der Zahl Zwölf benützt man in Ostasien — ähnlich wie in Europa und dem Vorderen Orient — zwölf Tierkreiszeichen, die zur Einteilung des Raums, der Zeit und schließlich auch zur horoskopischen Vorhersage von menschlichen Schicksalen verwendet werden. Es handelt sich dabei in Ostasien um folgende Tiere:
Ratte (Maus), Ochse (Büffel, Rind), Tiger, Hase, Drache, Schlange,
Pferd, Ziege (Schaf), Affe, Hahn, Hund, Eber (Schwein)


Interessanterweise stellen die Zwölf Tierkeiszeichen — jūni shi 十二支 die Zwölf Erdzweige, auch: Tierkreiszeichen; — keine Sagengestalten oder Fabelwesen dar wie in Europa, sondern ziemlich „normale“ Tiere, die im bäuerlichen Alltag einer agrarischen Gesellschaft, sei als Haus- oder Nutztiere, sei es als Gefahr oder Bedrohung, die wichtigste Rolle spielten. Das gilt auch für die Drachen, die als real existierende Wesen aufgefasst wurden. (Sie beherrschten vor allem den Regen und fungieren dank dieser Macht auch heute noch als Glückssymbol.)
Zur Entstehung der Tierkreiszeichen beziehungsweise zur Begründung, wie es zu ihrer Reihenfolge kam, gibt es verschiedene Legenden, die die Einteilung als Ergebnis eines Wettkampfes deuten, der entweder vom legendären „Gelben Kaiser“ (dem Begründer des chinesischen Kalenders) oder von Buddha — Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“, jap. butsu (hotoke) 仏 oder Budda 仏陀; — veranstaltet wurde. Es ging dabei darum, einen großen Fluss zu durchqueren, was dem (Wasser-) Büffel am besten gelang. Dank seiner Gutmütigkeit hatte er aber die Ratte mitgenommen, die im letzten Augenblick vor ihm ans Ufer sprang und so den Wettlauf gewann. Die Ratte soll außerdem die Katze, die auch auf dem Rücken des Ochsen saß, ins Wasser gestoßen haben, weshalb die Katze nicht in den Tierkreiszyklus aufgenommen wurde und der Ratte ewige Feindschaft schwor. Möglich ist allerdings auch, dass die Katze zum Zeitpunkt, als sich der Tierkreiszyklus etablierte, in China noch gar nicht domestiziert war. Die Vietnamesen schufen diesem Umstand Abhilfe, indem sie in ihrem Tierkreiszyklus den Hasen durch die Katze ersetzten.
Einteilung von Zeit und Raum
Die Tierkreiszeichen werden sowohl zur Messung der Zeit als auch zur Einteilung der Himmelsrichtungen eingesetzt. Der Tag ist in zwölf Stunden gegliedert, die im Durchschnitt nicht 60, sondern 120 Minuten andauerten, was jedoch je nach Jahreszeit variierte.2 Die Stunde der Ratte, die auch den Norden repräsentiert, entspricht der Zeit um Mitternacht, die Stunde des Hasen (Osten) dem Sonnenaufgang, das Pferd (Süden) steht für den Mittag, usw. Die heute noch gebräuchlichen japanischen Ausdrücke gozen (Vormittag) und gogo (Nachmittag) bedeuten wörtlich „vor dem Pferd“ und „nach dem Pferd“.
Außerdem verwendete man die Tierkreiszeichen um Jahre, Monate und Tage in Serien von jeweils zwölf Einheiten zu arrangieren.
Im Fall der Jahre kombinierte man die Tierkreiszeichen außerdem mit einem anderen traditionellen Zyklus, dem Zyklus der Fünf Elemente oder Wandlungsphasen (gogyō — gogyō 五行 Fünf Wandlungsphasen; Prinzip der chin. Naturphilosophie; — ):
Holz, Feuer, Metall, Erde, Wasser
Die Kombination von Wandlungsphasen und Tierkreiszeichen ergibt den Sechzigerzyklus, der allerdings durch die Einbeziehung eines spezifischen Yin Yang — Yin Yang (chin.) 陰陽 Dualistisches Prinzip der chin. Naturphilosophie; — -Schemas weiter verkompliziert wurde. (Siehe unten, tabellarische Übersicht.)
So komplex und verwirrend all dies auf den ersten Blick erscheinen mag, fest steht, dass der Sechzigerzyklus in China bereits in der Han — Han (chin.) 漢 chin. Han-Dynastie (207 v.u.Z.–220 u.Z.); — -Zeit das geläufigste Kalendersystem darstellte.
Horoskopische Deutung
Das chinesische Horoskop, das auch in allen von China beeinflussten Nachbarländern bekannt ist, orientiert sich ebenfalls an den Tierkreiszeichen bzw. am Sechzigerzyklus. Es fragt in erster Linie nicht nach dem Geburtsmonat, sondern nach dem Geburtsjahr und ordnet allen, die im gleichen Jahr geboren sind, gewisse gemeinsame Eigenschaften zu. Obwohl es etwa als vorteilhaft gilt, im Jahr des Drachen geboren zu werden, haben letztlich alle Tierkreiszeichen sowohl positive als auch negative, bzw. neutrale Eigenschaften. Viele dieser Eigenschaften sind auch für Laien durchaus nachzuvollziehen. Die Ratte gilt beispielsweise als intelligent, aber aufgrund ihres Sammeltriebes auch als geizig, der Ochse als gutmütig, aber stur, usw... Darüber hinaus gibt es wie in der europäischen Astrologie auch Theorien, zwischen welchen Tierzeichen grundsätzlich eher Harmonie bzw. Disharmonie besteht.

Quelle: Online-Handbuch Demographie [2010/9]
Horoskope, die aufgrund des Sechzigerzyklus getroffen werden, beeinflussen teilweise heute noch die Heirats- und Familienplanung. In Japan gilt es beispielsweise als unvorteilhaft, eine Frau zu heiraten, die in einem Feuer+Pferd-Jahr (hinoe-uma) geboren wurde, da Pferd und Feuer besonders starke Yang-Eigenschaften repräsentieren (Pferd = Süden = Feuer = Yang) und daher „männlich“ konnotiert sind. 1966, im letzten Feuerpferd-Jahr kam es aus diesem Grunde zu einem deutlichen Einbruch in der Geburtenrate, da man vermeiden wollte, eine Tochter in die Welt zu setzen, die dann unter dem negativen Feuerpferd-Zeichen zu leiden hätte. Tatsächlich sind Frauen dieses Jahrgangs Diskriminierungen verschiedenster Art ausgesetzt. Es gibt sogar Selbsthilfegruppen von 1966er Frauen, die sich dagegen zur Wehr setzen. Für Frauen des vorletzten Feuerpferd-Jahrgangs 1906 sollen die Folgen im übrigen noch weitaus schlimmer gewesen sein. Trotz fortschreitender Modernisierung sind diese auf dem traditionellen Kalender begründeten Vorstellungen also nach wie vor wirksam.
Westliche Tierkreiszeichen und die entsprechende Astrologie sind im Zuge der Orientierung am Westen auch in Japan populär geworden, werden aber weniger ernst genommen. Ein weiterer Unterschied zu den chinesischen besteht darin, dass die chinesischen nichts mit den Sternbildern am Himmel zu tun haben. Im übrigen waren die westlichen zwölf Tierkreiszeichen den Spezialisten der ostasiatischen Himmelskunde bereits in vormoderner Zeit bekannt. Siehe dazu die Sidepage Westliche Astrologie im vormodernen Japan.
- 一Grundbegriffe
- 二Bauten
- 三Alltag
- 四Ikonographie
- 五Mythen
- 六Geschichte
- 七Texte
- 八Essays
Diese Seite:
„Kalenderwesen und Horoskope.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Genauer gesagt gibt es innerhalb eines Zyklus von 19 Jahren sieben Jahre mit Schaltmonaten.
- ↑ Es wurde nämlich die Zeit zwischen Sonnenauf- und -untergang in jeweils sechs Stunden unterteilt, unabhängig von der Jahreszeit, sodass die Winterstunden bei Tageslicht kurz und in der Nacht lang waren und umgekehrt.
Internetquellen
- Kalender und Zeitrechnung, Bernhard Peter
Mit sehr genauen Erläuterungen des traditionellen chinesischen und japanischen Kalendersystems. - Einführung in die japanische Chronologie, Matthias Schemm
Der Autor programmierte auch das probate Umrechnungstool NengoCalc auf dieser Website. - Erdzweige, bzw. Chinesischer Kalender
Deutsche Wikipedia - Einträge.
Bilder
Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite:
- ^ Kalender 1857 (Bild: National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ)). Kalenderblatt für das Jahr 1857 (Ansei 4). Das Bild enthält diverse für das alltägliche Kalenderwesen wichtige Informationen, z.B. dass dieses Jahr 384 Tage hat, da es sich um ein Schaltjahr handelt. Der Schaltmonat wurde nach dem 5. Monat eingeschoben. Weitere wichtige Informationen beziehen sich auf die Länge der einzelnen Monate: „klein“ (小), d.h. 29 Tage, oder „groß“ (大), 30 Tage. Die Schlange rechts im Bild zeigt an, dass es sich um ein Schlangenjahr (hinoto no mi no toshi) handelt. Viele Informationen beziehen sich auf horoskopische Inhalte.
- ^ Die Zwölf Tiere des chinesischen Kalenders (Bild: Waseda University Library). Die Tierkreiszeichen des chinesischen Kalenderwesens.
Glossar
Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite: