I-10

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Jemand hat den Besitz seines Kindes heimlich verwendet, musste auf Grund seines Karmas als Rind seinen Dienst verrichten und machte eine ungewöhnliche Offenbarung
SNKBT 30: 22-24, Bohner 1934: 79-80, Nakamura 1997: 120-121

In einem Weiler der Bergdörfer (山村中里 yamamura no naka sato) im Bezirk Soekami (添上郡 soekami-gun) in der Provinz Yamato (大和国 yamato no kuni) lebte einst ein Fürst namens Kura no Iegimi[1]. Anlässlich des 12. Monats (十二月 shihasu) wollte er gemäß den Mahāyāna-Schriften[2] für seine frühere Sünden Buße tun. Er trug einem Boten auf: "Bitte einen Zen-Meister (禅師 zenji) her." Der Bote fragte [ihn]: "Von welchem Tempel soll ich einen Meister herbitten?" Er antwortete: "Wähle keinen Tempel aus, wenn du zufällig einen [Meister] triffst, bitte ihn dich zu begleiten." Der Bote leistete dem Wunsch [seines Herren] Folge, bat einen buddhistischen Wandermönch[3] ihn zu begleiten und kehrte mit ihm in das Haus [des Fürsten] zurück. Der Hausherr vertraute[4] [dem Mönch] und brachte [ihm?] Opfergaben dar[5].
Am Abend waren die Anbetung [der Götter] und die Rezitation der Schriften[6] bereits beendet. Als der Mönch sich ausruhen wollte, stellte ihm der Hausherr[7] [ein Bett und] Decken zur Verfügung, um sich zuzudecken. Tief in seinem Herzen dachte der Mönch sofort: "Es ist besser diese Decken zu nehmen und zu gehen, als morgen einen Gegenstand [als Bezahlung] zu bekommen." In dem Moment hörte er eine Stimme, die sagte: "Stiehl die Decken nicht!" Der Mönch erschrak sehr und [be]zweifelte [, dass er das gehört hatte], er sah sich um und schlich durch das Haus, auf der Suche nach einem Menschen, jedoch fand er nur ein Rind, das unter dem [Dach des] Lagergebäude[s][8] des Hauses stand. Der Mönch ging zu dem Rind und das sagte: "Ich bin der Vater von Iegimi[, dem Vorstand dieses Hauses]. In meinem früheren Leben habe ich von meinem Sohn, ohne es ihm zu sagen, 10 Bündel Reis genommen, um sie jemandem zu geben. Aus diesem Grund habe ich nun den Körper eines Rindes erhalten und muss meine frühere Schuld sühnen. Du, der du ins Kloster eingetreten bist, wie kannst du einfach so diese Bettdecken stehlen [wollen]? Wenn du wissen möchtest, ob das die Wahrheit ist, dann stelle mir einen Sitz (坐 za) hin. Ich werde gleich auf ihn steigen und mich hinlegen (居 iru). Dann solltest du wissen, dass ich der Vater [des Hausherren] bin." Daraufhin war der Mönch sofort sehr beschämt, ging zu seinem Schlafplatz zurück und blieb dort.
Am nächsten Morgen, als das Abhalten des Rituals bereits beendet war, sagte [d]er Mönch: "Lassen Sie alle, die nicht zur Familie gehören, sich entfernen." Anschließend versammelte er die Familie und erzählte detailliert die Vorkommnisse der Nacht (先の事 saki no koto). Sofort ging der Hausherr mit schwerem Herzen zu dem Rind, legte [einen] Stroh[sitz] hin und sagte: "Wenn du tatsächlich mein Vater bist, dann nimm darauf Platz." Das Rind beugte die Knie und legte sich auf den Sitz. Alle Verwandten riefen, weinten und schluchzten laut, und sagten: "Du bist tatsächlich [sein] Vater!" Bald erhoben sie sich [wieder], verbeugten sich, zollten ihm Respekt und sagten: "Das, was du früher einmal getan hast, sei dir jetzt alles vergeben." Als das Rind das hörte, weinte es und atmete schwer. Am selben Tag, zur Stunde des Affen[9], starb es (命終 inochi orwaru).



  1. 椋家長公; 家長 kachō wörtl. Familienoberhaupt, hier iegimi, ein häufiger Familienname
  2. 方広経 hōkō-kyō, bez. allgemein Mahāyāna-Schriften; es ist nicht möglich festzustellen, auf welche Schrift tatsächlich Bezug genommen wurde
  3. 路行く一の僧; 路行く michiyuku wörtl. auf der Straße unterwegs sein; 僧 hōshi buddhistischer Mönch
  4. 信心 shinjin Zuversicht, vertrauen; bedeutet auch an die "Drei Schätze" (= Grundprinzipien des Buddhismus: Buddha, Dharma und Sangha) zu glauben
  5. 供養 kuyō Opfergaben darbringen; Übersetzung des Sanskrit-Begriffes pūjā, bezeichnet ein Ritual bei dem den "Drei Schätzen" Nahrung, Kleidung, Weihrauch, Blumen, Kerzen, usw. dargebracht werden
  6. 禮經 reikyō; rei = Anbetung, Verehrung; kyō = Rezitation von Schriften
  7. 檀主 danshu, dieselbe Bedeutung wie 檀越 danotsu: Patron des Rituals, jemand der Opfergaben darbringt
  8. 倉下 kura no moto wörtl. Gebiet unter dem Lagergebäude; falls das Lagergebäude mit Stelzen erhöht war, sodass zwischen Grund und Gebäudeboden ein Rind hätte Platz finden können, könnte es auch dort gestanden haben
  9. 申時 saru no toki wörtl. Stunde des Affen; zw. 15 und 17 Uhr; die 24 Stunden des Tages wurden entsprechend der chinesischen Tierkreiszeichen auf den Tag verteilt, die Stunde jedes Tierkreiszeichens dauerte 120 Minuten


Hintergrund

  • Zeit: Yamato-Zeit/Kofun-Zeit (300-710 n. Chr.), 12. Monat
  • Ort: Weiler der Bergdörfer, Bezirk Soekami, Provinz Yamato (heutige Präfektur Nara)
  • Personen: Fürst Kura no Iegimi, sein Diener, der Vater des Fürsten in Gestalt eines Rindes, ein buddhistischer Mönch, die Verwandten des Fürsten

Ursache und Wirkung

Der Vater hat (trotz guter Absicht?) schlecht gehandelt, wurde im nächsten Leben wegen seines (schlechten) Karmas als Rind wiedergeboren und musste seinem Sohn dienen. Durch eine gute Tat und die darauf folgende Offenbarung als Vater wurde ihm vergeben und er fand seinen Frieden.

Anmerkungen

Die zeitliche Einordnung der Geschichte stützt sich auf die Erwähnung der Provinz Yamato (大和国), die zur Kofun- bzw. Yamato-Zeit (ca. 300-710) bestand, sowie des Bezirks Soekami (添上), der als einer der Bezirke Yamatos bekannt ist [1]. Die Übersetzung des "12. Monates" mit "Dezember" ist in diesem Fall nicht einfach möglich, da vor der Einführung des Gregorianischen Kalenders 1873 das System des Lunisolarkalenders verwendet wurde, nach welchem es 12 Monate mit 29 oder 30 Tagen gab. Um die so entstehenden Differenzen zum Solarkalender auszugleichen, wurde in unregelmäßigen Abständen zusätzliche Monate eingefügt, weshalb es sein kann dass sich Monate im Lunisolarkalender bis zu 30 Tage von denen im Solarkalender unterscheiden [2].

Was den näheren Handlungsort betrifft ist zu sagen, dass Nakamura Yamamura (山村) als Eigenname unübersetzt lässt und Weiler 里 als nähere Definition des Ortes innerhalb von Yamamura ansieht (S. 120). Wahrscheinlicher erscheint uns jedoch die direkte Übersetzung als Bergdorf/Bergdörfer, wie sie Bohner gewählt hat (S. 79), was für 山村の中里 eine Übersetzung als Weiler innerhalb der Bergdörfer nahelegt.

Auch der Name der Hauptfigur kann auf zwei Arten gedeutet werden: Nakamura übersetzt 椋家長公 mit Lord Kura no Iegimi, wobei sie anmerkt dass die Zeichen für iegimi auch als Familienoberhaupt gelesen werden können, sie aber die Lesung iegimi als häufigen Nachnamen dieser Zeit versteht (s. 120, Anm. 3).

Ob die Opfergaben, die der Hausherr darbrachte dem Mönch oder den "Drei Schätzen" dargebracht wurden, geht aus der Geschichte nicht eindeutig hervor. Es könnte sein, dass er sie dem Mönch gegeben hat, jedoch ist auch möglich dass er auf Grund seines Glaubens den höheren Mächten ein Opfer dargebracht hat. Laut Nakamura (S. 121, Anm. 7) bezeichnet shinjin das Ritual das in Sanskrit als pūjā bekannt ist, bei dem man sich direkt an die Götter wendet [3].

Materialien


Artikel erstellt von Christine Meixner 17:07, 10. Okt. 2010 (CEST).