Verpönt, Verdrängt – Vergessen?
Eine Datenbank zur Erfassung der in Österreich zwischen 1750 und 1848 verbotenen Bücher
I. Idee
Die Erschließung der Verbotslisten der habsburgischen Bücherzensur ist eine wichtige Grundlage für die österreichische Buch- und Lesergeschichte, ohne sie kann kein auch nur annähernd zutreffendes Bild des literarischen Lebens gezeichnet werden. Sie ist überdies für so gut wie alle wissenschaftlichen Disziplinen von Interesse. Es finden sich politische und staatswissenschaftliche, historiographische, ökonomische, militärwissenschaftliche, geographische, medizinische, philosophische, pädagogische, juridische, theologische Schriften und viele Miscellanea. Man begegnet in großer Zahl Werken, die in den Bibliotheken nicht bzw. nur in wenigen Exemplaren erhalten geblieben sind, so genannten Volksschriften, erotischer Literatur sowie politisch-revolutionärer Untergrundliteratur, Ratgebern aller Art, z. B. Broschüren über kurpfuscherische Heilmethoden, sicheren Lotteriegewinn, Teufelsbeschwörung und diversen Aberglauben u. v. m., aber auch bildliche Darstellungen und Musikalien. Die Verbotslisten sind daher nicht nur für die Literaturgeschichte relevant, sie eröffnen auch einen Zugang zur Kultur-, Sozial- und Wissenschaftsgeschichte.
II. Die Datenbank
Die Datenbank geht zurück auf ein vom FWF als P13220 unterstütztes Forschungsprojekt, in dem zwischen 1999 und 2001 mit der elektronischen Erfassung und Klassifikation der Verbotseinträge begonnen, und unter dem Titel „Österreichische Listen verbotener Bücher 1750-1848“ als P22320 in den Jahren 2010 bis 2012 von Dr. Daniel Syrovy ergänzt bzw. vervollständigt wurde. Der Großteil der Einträge konnte mit Hilfe von online-Bibliothekskatalogen auch bibliographisch verifiziert werden.
Sämtliche bekannten Verbote des Zeitraums 1753 bis März 1848 sind im Originaltext der Listen bzw. gedruckten Verbotskataloge über die Datenbank zugänglich.
Es ist geplant, in weiterer Folge auch die gerichtlichen Verbote nach 1848 in die Datenbank aufzunehmen.
III. Quellen
a) Handschriftliche Quellen
Neben den Exemplaren der halbmonatlichen Verbotslisten in der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, (Signatur: Ser. Nov. 2032 und 2033; Zeitraum 1802-1814) und im Universitätsarchiv (Consistorialakten, 1834-35, Fasc. V B, Nr. 317-339; 1836-40, Fasc. VIII; 1841-48, Fasc. I; Zeitraum 1815-1848), dienten folgende Archivalien als Quellen:
- 1784-97: Tiroler Landesarchiv [TLA] (Jüngeres Gubernium, Gubernialakten)
- 1785: Ungarisches Staatsarchiv, Budapest, Monatliche Verbotslisten, November 1784 bis Oktober 1785 (Magyar Országos Levéltar = Ungarisches Staatsarchiv, Budapest, Signatur: Departamentum revisionis librorum, 65-68 csomó)
- 1791-93: Staatsarchiv, Prag
- 1795: TLA, kollationiert mit Akten des Mährischen Staatsarchivs Brünn (Moravský zemský archiv: Fonds B14, Karton 199, Fasc. 200)
- 1796: TLA
- 1798-1802 (Mai): Wienbibliothek im Rathaus
- 1802-03: TLA
- 1805 (Sept): Staatsarchiv, Prag
- 1806 (Juni), 1807 (März, Aug, Nov), 1808 (März, April, Juli-Nov): Staatsarchiv Prag, PG, Ktn. 259, 536).
- 1808 (Mai, Juni): Mährisches Staatsarchiv, Brünn, Kt. 704
- 1812 (Juni, Juli): Ungarisches Staatsarchiv, Budapest
b) Gedruckten Quellen (Siglen)
Die Datenbankeinträge von Titeln der gedruckten Kataloge sind auf Basis des auch als Nachdruck erhältlichen, vom Umfang her vollständigsten Kataloges von 1776 erstellt, enthalten aber umfassende Angaben über die Erwähnung der Verbote an anderer Stelle. Die Felder ‚Frühere Kataloge‘ bzw. ‚Anmerkungen‘ enthalten Verweise und Siglen auf den Ort des frühesten Verbots.
Für Orthographie und Vollständigkeit der Einträge wurde die jeweils beste Lesart gewählt. Klare Druckfehler sind in eckigen Klammern korrigiert, größere Abweichungen gleichfalls in eckigen Klammern im Eintrag selbst gekennzeichnet.
- 1754
- Catalogus librorum rejectorum per Consessum censuræ. Viennæ Anno 1754.
- 1755_C1
- Continuatio prima Catalogi librorum rejectorum per Concessum censuræ. Viennæ Anno 1755.
- 1756_C2
- Continuatio secunda [...] Viennæ Anno 1756.
- 1757_C3
- Continuatio tertia [...] Viennæ Anno 1757.
- 1758
- Catalogus librorum per Quinquennium a commissione aulica prohibitorum, Viennæ M. DCC. LVIII. Prostat in officina libraria Kaliwodiana. (S. 1-187)
- 1759_N1
- Erster Nachtrag Zu dem Catalogo librorum a commissione aulica prohibitorum. Viennæ M. DCC. LIX. Prostat in officina libraria Kaliwodiana.
- 1762
- Catalogus librorum a commissione aulica prohibitorum. Viennæ M. DCC. LXII. Prostat in officina libraria Kaliwodiana.
- 1763_N1
- Erster Nachtrag zu dem Catalogo Librorum a commissione aulica prohibitorum. 1763. Wien zu finden bey Leopold Johann Kaliwoda, auf dem Dominicaner=Platz. (S. 3-32)
- 1764_N2
- Zweyter Nachtrag […] (S. 3-30)
- 1765_N3
- Dritter Nachtrag […] (S. 3-32)
- 1766_N4
- Vierter Nachtrag […] (S. 3-30)
- 1767_N5
- Fünfter Nachtrag […] (S. 3-22)
- 1768_N6
- Sechster Nachtrag […] (S. 3-24)
- 1769_N7
- Siebenter Nachtrag […] (S. 3-38)
- 1770_N8
- Achter Nachtrag […] (S. 3-29)
- 1771_N9
- Neunter Nachtrag […] (S. 3-40)
- 1771_S
- Supplementum ad Catalogum librorum a commissione aulica prohibitorum, de annis 1766. 67. 68. 69. 70. Viennæ, typis Jo. Thom. Nob. De Trattnern, Cæs. Reg. Aul. Typogr. et Bibliop. MDCCLXXI.
- 1774
- Catalogus Librorum a commissione Cæs. Reg. Aulica prohibitorum. Editio nova. Cum Privilegio S. C. R. Apost. Majestatis. WJEN, gedruckt und zu finden bey Leopold Kaliwoda, auf dem Dominikanerplatz. 1774. (S. 3-354)
- 1774_N
- Nachtrag: ibid., S. 355-363
- 1776
- Catalogus Librorum a commissione Cæs. Reg. Aulica prohibitorum. Editio nova. Cum Privilegio S. C. R. Apost. Majestatis. Viennæ Austriæ, Typis Geroldianis. 1776. (S. 1-360) [Auch als Nachdruck in Quellen zur Geschichte des Buchwesens, Bd. 6/1. München 1981]
- 1777_S1
- Supplementum ad Catalogum Librorum a commissione Cæs. Reg. Aulica prohibitorum. Editio nova. Cum Privilegio S. C. R. Apost. Majestatis. Viennæ Austriæ, Typis Geroldianis. 1777. (S. 3-16)
- 1778_S2
- Supplementum II. […] 1778. (S. 3-21)
- 1780_S3
- Supplementum III. […] 1780. (S. 3-29)
- 1784_R
- Verzeichniß aller bis 1ten Jäner 1784 verbottenen Bücher. [ohne Ort und Jahreszahl] Wienbibliothek, Sig. B 6075 [= Katalog der Josephinischen Rezensur]
- 1784_V1
- Verzeichniß der höchst ruchlosen Bücher, welche von einer Verlassenschaft, bey welcher solche zum öffentlichen Verkauf dargeboten werden, abzufodern sind. [als gedruckter Anhang zu 1784_R]
- 1784_V2
- Verzeichniß der höchst unflätigen Bücher, welche von einer Verlassenschaft, die solche zum öffentlichen Verkauf darbietet, abzufodern sind. [als gedruckter Anhang zu 1784_R]
- 1794
- Katalog. Der von 1783. bis 1794. in Oesterreich von der hochlöblichen Hofbücherzensurskommission verbothenen Bücher. Zur Warnung der Herren Leser, Buchhändler, und Buchdrucker. Herausgegeben von Joseph Petzek. Freyburg im Breisgau.
- RZ1804
- Verzeichnisse verbotener Bücher [handschriftliche Listen der Rezensur von 1804/05] (ÖNB Cod. ser n. 2028)
IV. Suche und Detailansicht
Die Suche in der Datenbank umfasst alle Einträge im Volltext und sieht vor, dass orthographische Abweichungen ebenfalls angezeigt werden. Durch die Suche mit Anführungszeichen kann die Suche auf genaue Entsprechungen eingeschränkt werden.
In der Detailansicht ist zunächst die wortgetreue Transkription des Eintrages in der Verbotsliste (Jahr, Monat, Monatshälfte, Seite) bzw. im gedruckten Katalog enthalten (‚Originaleintrag‘); eindeutige Schreibfehler sind durch ein „[sic]“ gekennzeichnet. Je nach Verfügbarkeit sind die einzelnen Titel auch durch Einträge aus Bibliothekskatalogen nachgewiesen. Titel bzw. Autornamen etc. können aus diesen Gründen z.T. voneinander abweichen.
Der Verbotsgrad wird nicht jedes mal explizit genannt, sondern ergibt sich aus der Rubrik bzw. dem Kontext der Originalliste. Diese Rubriken sind jeweils angeführt. Alle weiteren Informationen in den Feldern (Verlagsort, Sprache, ...) sind Ergänzungen, die sich teils aus den Originaleinträgen, teils aus den Bibliotheksnachweisen ergeben. Schwierigkeiten werden ggf. im Feld ‚Anmerkungen‘ erläutert.
V. Zensurgrade
Die Zensurverordnung von 1810 sah vier Beurteilungsgrade vor: „Admittitur“ für unbeschränkt zugelassene Schriften; „transeat“ für Werke, die zwar zum Verkauf zugelassen waren, aber nicht beworben oder in Zeitungen angekündigt werden durften; „erga schedam“ für Werke, die nur besonders verlässlichen Bürgern vorbehalten waren, und „damnatur“ für Werke, die nur in Sonderfällen bei Vorliegen wissenschaftlicher Gründe bewilligt werden sollten. Dazu kommen für Manuskripte die Kategorien „non admittitur“ bzw. das seltene „typum non meretur“ für Inhalte, die nicht als publikationswert empfunden wurden.
Verbesserungsvorschläge und Korrekturen sind willkommen unter den e-mail-Adressen daniel.syrovy@univie.ac.at oder norbert.bachleitner@univie.ac.at.