Ludwig Senfl

Lebensdaten
Werke
Bildzeugnisse

Senfl (Sennf(f)l, Senffel, Sennffen, Senfftl, Senfli, Sempffel, Senf(f)(e)lius, Senphlius uva.)
Ludwig (Ludevicus)

Sänger, Schreiber, Komponist und Herausgeber
* 1489, 1490 oder 1491 in Basel oder Zürich
† zwischen Januar und März 1543 in München

Genaue Angaben zu Senfls Geburtstag und seiner Herkunft fehlen. Die oftmalige Bezeichnung als „Helvetius“ oder „Schweytzer“ durch Zeitgenossen wie auch v.a. durch Senfl selbst deuten auf eine gewisse Orientierung am Schweizer Humanismus (Vadian, Heinrich Glarean, Ulrich Zwingli). Bei einem kürzlich neu aufgefundenen Dokument vom 23. Juli 1498 dürfte es sich um den frühesten Hinweis auf den Komponisten handeln. In einer Zahlungsanweisung des nachmaligen Kaisers Maximilian I. an einen „armen“ Mann aus Zürich, wird diesem als Entschädigung Amsterdamer Tuch für die Anfertigung eines Rockes verordnet, da er dem König einen Sängerknaben gebracht hatte. Senfls eigene Aussage, dass er 23 Jahre in der Kapelle Maximilians gedient hätte, bestätigen das Anstellungsjahr 1498, da die Kapelle nach dem Tod des Herrschers von Karl V. im Jahr 1520 aufgelöst wurde. Ein weiterer früher Beleg, der sich auf den Komponisten beziehen könnte, stellt der Vermerk „Ludwig Sennfli von Zürich“ im Glückshafenrodel in Zürich von 1504 dar.

Nach eigenen Angaben lernte Senfl bei dem seit Anfang April 1497 als Hofkomponist bestallten Heinrich Isaac (um 1450–1517). Obwohl Senfl in den Matrikeln der Universität Wien nicht aufscheint, könnte er nach üblicher Praxis des Hofes während seiner Mutation 1504–07 dort studiert haben. Seit Herbst 1507 hielt er sich anlässlich des Reichstages mit Kaiser Maximilian I. und der Kapelle in Konstanz auf, wo er 1508 durch den Kaiser mit einer Pfründe an der Kathedrale zu Basel versorgt wurde; zugleich geht aus diesem Eintrag hervor, dass Senfl zu dieser Zeit ein Kleriker der Diözese Konstanz war, der zumindest die niederen Weihen empfangen hatte. 1510 erhielt er von Maximilian I. eine weitere Pfründe in St. Michael de Englario in der Diözese Verona. Nachdem Isaac Anfang 1515 beurlaubt worden war, dürfte Senfl immer öfter für die Komposition von Werken für die kaiserliche Hofkapelle verantwortlich gewesen sein, wurde jedoch niemals offiziell zum Hofkomponisten ernannt. 1515 ist Senfl mit der kaiserlichen Kapelle für die Feierlichkeiten der Habsburger Doppelhochzeit in Wien nachweisbar, 1518 beim Reichstag in Augsburg. Möglicherweise lernte er hier auch Martin Luther kennen.

Nach dem Tod Maximilians I. und der Auflösung der Kapelle unternahm Senfl mehrere Reisen, so zum Reichstag nach Worms 1521 (mit weiterer Kontaktmöglichkeit zu Luther) und zu verschiedenen Fürstenhochzeiten, für die er Lieder komponierte. Um 1520 hielt er sich erneut in Augsburg auf und gab den ersten dt. Motettendruck heraus (Liber selectarum cantionum, RISM 1520/4). 1523 trat er mit anderen ehemaligen Mitgliedern der kaiserlichen Hofkapelle in die Dienste Herzog Wilhelms IV. von Bayern. Mit Hilfe von zahlreichen Musikalienbeständen aus seiner früheren Anstellung baute er die bis dahin nur wenig profilierte Münchner Hofkapelle hinsichtlich Repertoire und Besetzung nach dem Vorbild der maximilianischen Institution gezielt zu einem professionellen Ensemble aus. Obwohl Senfl am katholischen Hof des Münchner Herzogs angestellt war, unterhielt er enge und regelmäßige Kontakte zu zentralen Personen der Reformation wie Herzog Albrecht v. Preußen (Königsberg) oder Luther und komponierte für diese Lieder und Motetten.

München blieb Senfls Wirkungsstätte bis zu seinem Tod, 1529 erwarb er dort auch ein Haus. 1527 heiratete er die Tochter des Passauer Schiffsmeisters und Mautners A. Neuburger, deren Namen aber nicht bekannt ist. Sie muss früh verstorben sein, da Senfl spätestens im Frühjahr 1535 mit Maria Halbhyrn verheiratet ist. Dem Paar wird 1537 eine Tochter geboren. Zu Beginn des Jahres 1543 stirbt Senfl im Alter von 53 Jahren. Die Inschrift seines Grabsteins rühmt ihn als Sohn antiker Göttinnen und Musen und betont nochmals seinen besonderen Bezug zum Humanismus sowie seine Schülerschaft bei H. Isaac und seine herausragende Position am Münchner Hof.

Werke

Allgemein als Leitfigur seiner Komponistengeneration anerkannt, hinterließ Senfl der Nachwelt ein enormes Œuvre, das sämtliche zeitgenössische Gattungen umfasst: sechs sicher zuzuweisende Messen, über 90 Proprienzyklen, ca. 140 Motetten, acht Magnificatvertonungen, etwa 250 deutsche Lieder, lateinische Oden sowie Stücke mit italienischem und französischem Text. Nur wenige dieser Werke können bislang zeitlich genauer eingeordnet oder datiert werden: die Motette Surge virgo und die Lieder aus der Handschrift Staats- und Stadtbibliothek Augsburg Ms. 142a um etwa 1509–14, die groß angelegte sechsstimmige Motette Sancte pater um 1515/1516, die Missa dominicalis L’homme arme womöglich zum Einzug Kaiser Karls V. in München (1530), ebenso die Motette Ecce quam bonum zum Augsburger Reichstag 1530.

Nicht zuletzt in der Einzigartigkeit seiner vorwiegend vierstimmigen deutsche Lieder im Hinblick auf Anzahl und musikalischen Satzbau liegt der Grund für die hohe Wertschätzung, die Senfl bereits von den Zeitgenossen zukam. Die Texte der Lieder thematisieren neben religiösen Fragen auch die zeitgenössische Lebenswelt (Tanz-, Trink-, Spottlieder), insbesondere aber die verschiedenen Formen der Liebe. Bezüge zu Senfls Leben werden nur in Ausnahmefällen fassbar, etwa in dem autobiographischen Lied Lust hab’ ich g’habt zur Musica (mit Akrostichon „Ludwig Sennfl“).
Eine weitere zentrale Rolle im Werk Senfls nehmen die Vertonungen zum Proprium Missae ein, die er in Anlehnung an die Werkkonzeptionen Isaacs in München fortführte. Das durch Senfl nach München verbrachte Proprienrepertoire Isaacs wurde teilweise überarbeitet, neu kopiert, geordnet und von Senfl mit zahlreichen Sätzen ergänzt. Einen wichtigen Beitrag stellt hier das aus vier Chorbüchern bestehende Opus Musicum dar (Bayerische Staatsbibliothek München, Mus.ms. 35–38). In den 1531 fertig gestellten Handschriften vereinte Senfl sowohl eigene Proprienvertonungen als auch Sätze seines Lehrers aus unterschiedlichen Schaffensperioden zu einem mehrstimmigen Graduale für das gesamte Kirchenjahr. Sie spiegeln in ihrer neuen Ordnung die liturgische Praxis am Münchner Hof wider.

Einen dritten umfangreichen Werkkomplex stellen die bislang noch kaum edierten und erforschten Motetten dar. In den nach 1520 überlieferten Werken lässt sich eine intensive Auseinandersetzung mit den Kompositionen Josquin des Prez’ feststellen (Bayerische Staatsbibliothek München, Mus.ms. 10 und 12), die sich auch in der Werkauswahl des Liber selectarum cantionum niederschlägt. Senfl nimmt durch das Aufgreifen von Melodielinien und Satzprinzipien direkt auf Josquin Bezug und führt die von diesem etablierte Idee der Psalmmotette weiter.

Welche Faszination satztechnische Herausforderungen für Senfl bedeuteten, zeigt sich in sämtlichen Werkgattungen und insbesondere in den größer besetzten Werken, v.a. in kontrapunktisch anspruchsvollen Aufgaben (Kombination mehrerer Cantus firmi) oder in der häufigen Verwendung von Kanons (reine Rätselkanons: Salve sancta parens, Crux fidelis, O crux ave spes unica). Senfls Edition von Werken Josquin des Prez’ hat wesentlich zu der nachhaltigen Josquin-Rezeption im deutschsprachigen Raum beigetragen. Durch seine Musik hat Senfl selbst das musikalische Leben seiner Zeit maßgeblich beeinflusst; sie wurde noch Jahrzehnte nach seinem Tod aufgeführt und für Lehr- und Studienzwecke verwendet.

Bildzeugnisse

Vier Medaillen, jeweils mit Senfls Devise „Psallam Deo meo quamdiu fuero“ (alle Medaillen auch abgebildet in Ludwig Senfl, Sämtliche Werke, Bd. 1, S. VIII und in Martin Hirsch, „Vera Imago Ludovvici Senflii – Die Medaillen auf Ludwig Senfl“, in Senfl-Studien 2, S. 3–22):

Die Kohlezeichnung von Hans Schwarz, um 1519/20 (Berlin, Staatliche Museen Preussischer Kulturbesitz, Kupferkabinett, KdZ 6045), Abb. in Ludwig Senfl, Sämtliche Werke, Bd. 2, S. [V] und Richard Kastenholz, Hans Schwarz: Ein Augsburger Bildhauer und Medailleur der Renaissance, München u.a. 2005 (Kunstwissenschaftliche Studien 126), S. 298f., Kat.-Nr. 206, stellt höchstwahrscheinlich nicht Senfl dar, sondern einen unbekannten Mann.